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Homilie der Krönungsmesse von Papst Johannes XXIII. (Wortlaut)

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Homilie

von Papst
Johannes XXIII.
der Krönungsmesse

4. November 1958

(Quelle: Herder-Korrespondenz, Herder Verlag, Dreizehnter Jahrgang 1958/59; Drittes Heft, Dezember 1958, S. 116-117)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


"Ehrwürdige Brüder, Kardinäle der Heiligen Römischen Kirche, Erzbischöfe und Bischöfe, die ihr hier anwesend seid oder im Geiste an dem feierlichen Ritus teilnehmt, der die Einführung Unserer geringen Person in die großen Aufgaben des Höchsten Hirtenamtes besiegelt, und ihr alle, meine geliebten Kinder auf der ganzen Welt und in allen sozialen Schichten, die ihr trotz all der Sorgen und Ängste dieses irdischen Lebens die ewigen Güter nicht vergesst, auf die es vor allem ankommt: Wir grüßen euch aus liebevollstem väterlichem Herzen.

Wir sind in der größten Gedächtnisstätte des Apostelfürsten zusammengekommen, dessen hohes Amt Uns als seinem Nachfolger anvertraut worden ist; und Wir glauben in diesem denkwürdigen Augenblick die Stimme Petri zu hören, die Uns gleichsam über die Jahrhunderte hin erreicht; auch die Stimme der beiden Johannes hören Wir mit Freuden, die dem göttlichen Erlöser am nächsten waren und sind und deren süßen und ehrenvollen Namen Wir Uns gewählt haben.

Doch während Wir in diesen Tagen großen Geheimnisses und großer Angst, wenn Wir den Stimmen der Erde lauschen, einerseits durch die allgemeine Freude, den allgemeinen Jubel, mit dem Unsere Erhebung auf den Stuhl Petri begrüßt wird, Trost und Mut empfangen, so macht Uns doch anderseits die Vielfalt der gewaltigen Aufgaben, die Unsern Schultern auferlegt sind, sorgenvoll und verwirrt; jene Aufgaben, die man Uns von da und dort auf verschiedenste Art zuweist und die Uns der eine so, der andere so, je nach persönlicher Neigung und Richtung, nach eigener Erfahrung und gemäß der eigenen Auffassung vom privaten und kollektiven Leben in bestimmt umgrenztem Umkreis vorschlägt. Die einen hoffen im Papst vor allem den geschickten Diplomaten und Staatsmann zu finden, die andern den Wissenschaftler, den Organisator des Gemeinschaftslebens oder den, dessen Geist allen Formen des Fortschritts des modernen Lebens ohne Ausnahme aufgeschlossen ist.

Ehrwürdige Brüder und geliebte Söhne, sie alle sind nicht auf dem rechten Weg, da sie sich ein Papstideal vorstellen, das der wahren Idee keineswegs entspricht.

Der neue Papst gleicht vielmehr auf Grund seines ganzen Lebens Joseph, dem Sohne Jakobs, der seine von schwerem Unglück betroffenen Brüder vor sich kommen lässt und sich ihnen voll Liebe und Mitleid offenbart: ,Ich bin ... Joseph, euer Bruder' (Gen. 45, 4). Der neue Papst stellt in sich vor allem jenes wunderbare Bild des Evangeliums dar, das der Evangelist Johannes mit den Worten des göttlichen Erlösers selber vom Guten Hirten gibt (vgl. Joh. 10,1-21). Er ist die Tür des Schafstalls: ,Ego sum ostium ovium' (Joh. 10,7). In diesen Schafstall Jesu Christi gelangt niemand, wenn nicht unter der Leitung des Papstes; und die Menschen können nur, wenn sie mit ihm verbunden sind, mit Sicherheit gerettet werden, denn der römische Papst ist der Stellvertreter Christi und repräsentiert Ihn auf Erden. Wie süß, wie tröstlich ist es, das Bild des Guten Hirten vor Augen zu haben, das im Evangelium so wunderbar beschrieben und ausgeschmückt wird !

Ehrwürdige Brüder und geliebte Söhne, Wir machen Uns die Mahnungen zu eigen, die über dieses Thema die Päpste aller Zeiten und insbesondere Unser jüngster Vorgänger Pius XII. ausgesprochen haben, und möchten dies ganz ausdrücklich betonen, dass Uns nämlich das Amt des Hirten der ganzen Herde ganz besonders am Herzen liegt. Alle anderen menschlichen Qualitäten - Wissen, Geschicklichkeit, diplomatischer Takt, organisatorische Fähigkeiten - können das Hirtenamt ergänzen und schmücken, können es aber niemals ersetzen.

An erster Stelle muss der Eifer und die Wachsamkeit des Guten Hirten stehen; er muss immer für die schwierigsten Lagen bereit sein, geradlinig, klug, beständig, und darf auch die äußerste Prüfung nicht scheuen: ,Der gute Hirte gibt sein Leben für seine Schafe' (Joh. 10, 11). Wie herrlich ist die Kirche Christi, der ,Schafstall' (Joh. 10, 1). Der Hirte ,geht vor den Schafen her' (ebd. 10,4), und sie folgen ihm alle. Um sie zu schützen, fürchtet er sich nicht, gegen den angreifenden Wolf zu kämpfen. Doch er ist berufen, noch weiter zu blicken: ,Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Schafstall sind, und ich werde sie herbeiführen; sie werden meine Stimme hören, und es wird ein Schafstall und ein Hirte sein' (ebd. 10, 16). In diesen Worten ist die ganze Größe und Würde der Missionsaufgabe ausgedrückt. Das ist die erste - wenn auch nicht die einzige - Aufgabe des römischen Papstes; denn mit dieser sind auch noch viele andere Sorgen von nicht geringerem Gewicht verbunden.

Bei allem, was geschieht, ist es am wichtigsten, zu wissen, aus welchem Geist und in welcher Absicht es geschieht. Jedes Pontifikat erhält seine Züge und sein Gesicht von dem, der es verkörpert und ihm seine Eigenart aufprägt. Eines ist gewiss: dass sich die Züge aller Päpste, die sich im Laufe der Jahrhunderte auf dem Apostolischen Stuhl gefolgt sind, im Antlitz Christi, ihres göttlichen Meisters, widerspiegeln oder widerspiegeln müssen, der seine irdische Bahn vor allem deswegen zu durchlaufen hat, um den Samen der göttlichen Lehre und das Licht seines leuchtenden Beispiels auszustrahlen.

Denn der Angelpunkt der göttlichen Einrichtungen und das Gebot das alle anderen in sich schließt, liegt in den Worten des Evangeliums: ,Lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen' (Matth. 11,29). Sanftmut und Demut sind also ein großes Gebot. Alle, die ihr auf dieser Erde fromm und ,glühenden Geistes' (Röm. 12, 11) seid, Wir bitten euch, betet zu Gott in inständigem Flehen für euren Papst, damit er in dieser evangelischen Sanftmut und Demut immer weiter fortschreite. Wir sind sicher, dass die Übung dieser Tugend reichen Gewinn bringen wird und dass, wenn sie wirklich zur Haltung des Vaters aller Gläubigen würde, dies von unermeßlichem Nutzen auch im Bereich der sozialen und rein irdischen Angelegenheiten der Menschheit wäre. Gestattet Uns schließlich, Ehrwürdige Brüder, Kardinäle und Bischöfe, und geliebte Söhne, Priester und Gläubige, euch auf etwas hinzuweisen, was Uns tief beglückt, nämlich daran zu erinnern, dass diese Feier auf den Tag fällt, den Wir als Gedenktag eines Priesters und Bischofs besonders lieben. An diesem Festtag des 4. November, an dem künftig der Krönung des neuen Papstes gedacht werden wird, feiert die gesamte Kirche in der Liturgie alljährlich das Fest des heiligen Karl Borromäus. Die Gestalt dieses Erzbischofs von Mailand, der zu den größten Seelenhirten in der Geschichte der Kirche aller Zeiten gehört, ist Uns seit langem besonders teuer. Bei der kostbaren Reliquie seines Herzens, die in Rom in der ihm geweihten Kirche verehrt wird, empfingen Wir vor 34 Jahren die Bischofsweihe.

Die Kirche Gottes hat, wie ihr wißt, im Laufe der Jahrhunderte Zeiten des Stagnierens und des neuen Lebens gekannt. In einer solchen Zeit hat die Vorsehung dem hl. Karl Borromäus die hohe Aufgabe vorbehalten, in besonderem Maße an der Wiederherstellung der kirchlichen Ordnung mitzuarbeiten. Sein Einsatz für die Durchführung der Dekrete des Konzils von Trient, das Beispiel, das er davon in Mailand und anderen italienischen Diözesen gab, verschaffte ihm den Ehrentitel eines Lehrers der Bischöfe; Päpste riefen ihn als Berater zu sich; er ist ein wunderbares Vorbild bischöflicher Heiligkeit.

Bei der Feier einer Papstkrönung ist es gestattet, dass in die Litaneien die Namen solcher Heiliger eingefügt werden, die der neue Papst besonders verehrt. Als ihr die Anrufung hörtet: ,Sancte Carole, tu illum adiuva', habt ihr gewiss mit glühendem Herzen eure einstimmigen Bitten um jene Gnaden ausgedrückt, die der hl. Karl Uns vermitteln wird, Unser Schutzherr, wie Wir ihn nennen und wie er Uns immer sein will, jetzt und allezeit. Amen. "

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