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Amoris laetitia

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Amoris laetitia (die [innerliche] Freude der Liebe) sind die lateinischen Anfangsworte des Nachsynodalen Apostolischen Schreibens von Papst Franziskus über die Liebe in der Familie unterzeichnet am 19. März 2016. Der Papst verfasste es im Anschluss an die beiden Bischofssynoden in den Oktobern 2014 und 2015.[1]

Der Vatikan veröffentlichte das Schreiben am 8. April 2016 offiziell im Vatikan. Neben Kardinal Lorenzo Baldisseri als Generalsekretär der Bischofssynode, stellten es eine italienische Familie und Kardinal Christoph Schönborn vor.

Inhaltsverzeichnis

Der deutsche Text des Nachsynodalen Schreibens

Amoris laetitia (Wortlaut)

Zustandekommen

2014 hatte der Papst einen synodalen Prozess mit zwei Versammlungen der Bischofssynoden zum Thema Ehe und Familie begonnen, damit waren erstmalig in der Geschichte der Synode zwei Versammlungen aufeinander aufbauend mit demselben Thema beschäftigt. Die Versammlung der Bischofssynode im Oktober 2015 hatte nach zweijähriger Arbeitszeit dem Papst einen Abschlussbericht (Relatio Finales) übergeben.

Der Sondersekretär der Doppel-Bischofssynode über die Familie von 2014 und 2015, Erzbischof Bruno Forte enthüllte ein Hintergrunddetail über Amors Laetitia. Konkret erzählte der Erzbischof eine Episode, bei der Papst Franziskus zu ihm gesagt habe: „Wenn wir ausdrücklich von Kommunion für wiederverheiratet Geschiedene sprechen, wer weiß, was die uns dann für ein Casino [einen Wirbel] machen. Wir reden deshalb nicht direkt davon. Mach es so, dass die Prämissen gegeben sind, die Schlussfolgerungen ziehe dann ich.“[2]

Verbindlichkeit des Schreibens

Papst Franziskus zur Verbindlichkeit des Schreibens

Papst Franziskus sieht dieses Schreiben in der Einleitung Nr. 4+5 als Überlegung, Dialog und Vorschlag für die christlichen Familien. Er sagt wörtlich: "Deshalb habe ich es für angemessen gehalten, ein Nachsynodales Apostolisches Schreiben zu verfassen, das Beiträge der beiden jüngsten Synoden über die Familie sammelt, und weitere Erwägungen hinzuzufügen, die die Überlegung, den Dialog oder die pastorale Praxis orientieren können und zugleich den Familien in ihrem Einsatz und ihren Schwierigkeiten Ermutigung und Anregung bieten. Dieses Schreiben gewinnt eine spezielle Bedeutung im Zusammenhang mit dem Jubiläumsjahr der Barmherzigkeit. An erster Stelle, weil ich das Schreiben als einen Vorschlag für die christlichen Familien verstehe, der sie anregen soll, die Gaben der Ehe und der Familie zu würdigen und eine starke und uneingeschränkte Liebe zu Werten wie Großherzigkeit, Verbindlichkeit, Treue oder Geduld zu pflegen. An zweiter Stelle, weil es alle ermutigen soll, dort selbst Zeichen der Barmherzigkeit und der Nähe zu sein, wo das Familienleben sich nicht vollkommen verwirklicht oder sich nicht in Frieden und Freude entfaltet."

Franziskus trat Mitte Juni 2016 Bedenken entgegen, dieses Schreiben stehe nicht voll auf dem Boden der kirchlichen Lehre. Er sagte: «Zu Ihrer Beruhigung muss ich Ihnen sagen, dass das, was in der Exhortation geschrieben steht, alles thomistisch ist, von vorne bis hinten. Das ist sichere Lehre».[3]

Interpretation zuerst im Licht des Katechismus und der kirchlichen Lehre (d.h. der Tradition)

Raymond Kardinal Burke sagte im April 2016, das Nachsynodale Schreiben, „Amoris laetitia“ müsse „kritisch im Licht des Katechismus, im Licht der kirchlichen Lehre“ gelesen werden. Der Glaube der Kirche enthalte alle notwendigen Werkzeuge um das Dokument richtig zu verstehen. Teilweise enthalte es persönliche Gedanken von Papst Franziskus, die nicht zum Lehramt zu zählen seien. Der Heilige Vater schreibe dies selbst, sagte der Kardinal. Er räumt ein, dass manche Passagen des Schreibens eine Interpretation erlauben, die nicht der Lehre der Kirche entspräche. Diese könnten nicht teil des Lehramtes sein, fügt er hinzu.[4]

Carlo Kardinal Caffarra, der ehemalige Leiter des Päpstlichen Institutes für Studien zu Ehe und Familie, wies darauf hin, AL sei zuerst im Sinne der Kontinuität des Lehramtes zu interpretieren. Nicht eindeutige Texte (wie das achte Kapitel, das „objektiv unklar“ sei) seien im Sinne der Kontinuität des Lehramtes zu interpretieren. In Fragen der Lehre und der Moral könne sich das kirchliche Lehramt nicht selbst widersprechen, ergänzte er. Die Alternative zu einer Kirche mit kontinuierlicher Lehre sei nicht eine pastorale Kirche sondern eine beliebige Kirche, die vom Zeitgeist abhängig sei. Die Glaubenslehre sei nichts anderes als die göttliche Offenbarung des göttlichen Planes für die Menschen. „Die Logik der lebendigen Tradition der Kirche ist bipolar: Sie hat zwei Richtungen, nicht eine.“ Mehr Gewicht habe die Interpretation des jeweils neuen Schreibens im Licht der bisherigen, auf vielen Dokumenten beruhenden Lehre, betonte Caffarra im Interview mit OnePeterFive. „Amoris laetitia“ behaupte, dass sexuelle Kontakte zwischen geschiedenen und zivilrechtlich wiederverheirateten Katholiken unter bestimmten Umständen moralisch legitim sein können. Dies widerspreche der kirchlichen Lehre, dass Ehebruch ein in sich schlechter Akt ist, der keine Ausnahmen erlaube, erläuterte Caffarra. „Bischöfe und viele Theologen, die treu zur Kirche und ihrem Lehramt stehen, haben eingewandt, dass es in einem besonderen – aber sehr wichtigen – Punkt keine Kontinuität zwischen ‚Amoris laetitia’ und dem bisherigen Lehramt gibt“, sagte Caffarra wörtlich. Papst Franziskus müsse diesen Punkt daher klarstellen, verlangte er. Katholiken, die angesichts der Diskussion um die Bedeutung von „Amoris laetita“ verwirrt seien, empfiehlt Kardinal Caffarra die Lektüre und Meditation der Absätze 1601 bis 1666 des Katechismus der Katholischen Kirche (KKK). Jedem der etwas anderes über die Ehe lehre, solle man nicht zuhören. „Sie sind Blinde, die Blinde führen“, sagte Caffarra wörtlich.[5]

Interpretation (der Tradition) im Lichte von «Amoris laetitia»

Christoph Kardinal Schönborn sagte in einem Interview[6], es sei «offensichtlich», dass «Amoris laetitia» ein Akt des kirchlichen Lehramts sei, da es sich um eine «Apostolische Exhortation» handele. Alle früheren lehramtlichen Äußerungen zu Ehe und Familie müssten nun im Licht von «Amoris laetitia» gelesen werden, betonte Schönborn; ebenso wie heute das Erste Vatikanische Konzil (1869-1870) im Licht des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) interpretiert werde. AL sei eine «authentische Lektion der heiligen Lehre», das diese für die heutige Zeit aktualisiere. Schönborn widersprach mit seiner Äußerung auch Kardinälen wie dem früheren Erzbischof von Bologna, Carlo Caffarra, oder dem deutschen Kurienkardinal Walter Brandmüller. Sie hatten gefordert, «Amoris laetitia» müsse in der Perspektive früherer kirchlicher Verlautbarungen interpretiert werden, weil seine Aussagen zu einem etwaigen Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene unklar seien. Nach ihrer Lesart ist deshalb eine Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion weiterhin nicht möglich.[7]

Wertvolle Hinweise im Hinblick auf das Leben der christlichen Familie[8]

Weihbischof Athanasius Schneider hebt wertvolles aus AL hervor:

  • Die Verkündigung der christlichen Botschaft von der Familie ist eine wahre Frohbotschaft (vgl. AL, 1).
  • Das Bewusstsein für die Wichtigkeit von Ehe und Familie soll geweckt werden (vgl. AL, 1)
  • Die Familie als solche ist etwas Positives. Man soll sie nicht in erster Linie als ein Problem, sondern als eine Gelegenheit ansehen, das Familienleben nach dem Willen und Wort Gottes zu verwirklichen (vgl. AL, 7).
  • Die Bedeutung der Familie als Hauskirche und als Lebenszelle, um die Welt zu verwandeln (vgl. AL, 324)
  • Die tägliche Übung der Liebe innerhalb der Familie (vgl. AL, 4. Kapitel)
  • Die Wertschätzung und die liebevolle Integration der Großeltern in das Leben der Familien: "Eine Familie, die ihre Großeltern nicht achtet und betreut, ist eine zerbröckelte Familie. Eine Zivilisation, in der die alten Menschen ausgesondert werden, weil sie Probleme verursachen - diese Gesellschaft trägt den Virus des Todes in sich" (AL, 193).
  • Die Vater- und Mutterliebe ist unersetzlich und die Eltern sollen in ihr wachsen (AL, 172-177).
  • Die besondere Sorgfalt bei Ehevorbereitung, bei seelsorglicher Begleitung und bei konkreten Hilfestellungen für die Jungvermählten (vgl. AL, 6. Kapitel).
  • Die Bedeutung der Kindererziehung, insbesondere in der Weitergabe des Glaubens (vgl. AL, 7. Kapitel, und Nr. 287-290)
  • Die seelsorgliche Begleitung von Ehen und Familien, die sich in einer Krise befinden (vgl. AL, 8. Kapitel)
  • Die Zentralität des Gebets in der Familie (vgl. AL, 317- 318).

Problematische Stellen bezüglich dem vorhergehendem Lehramt[9]

Weihbischof Athanasius Schneider sieht folgendes Problematische in AL:
Bezüglich des Prozesses der pastoralen Begleitung von Paaren in irregulären Situationen kann nach den Worten von Papst Franziskus "die Unterscheidung niemals von den Erfordernissen der Wahrheit und der Liebe des Evangeliums, die die Kirche vorlegt, absehen" (AL, 300). In AL, 6 sagt der Papst, dass er an die "Grundfragen der Lehre der Kirche über Ehe und Familie erinnern" möchte. In den Nummern 67 - 75 erläutert er die Wahrheiten über Ehe und Familie anhand der Dokumente des Lehramtes. Die Lehre von Humanae vitae wird bekräftigt. Auch wenn die entscheidende Aussage von Humanae vitae (Nr. 14) nicht zitiert wird, findet man in AL, 80 dennoch die folgende Formulierung: Die eheliche "Vereinigung ist »durch ihre natürliche Eigenart« (Gaudium et spes, Nr. 48) auf die Zeugung ausgerichtet".

  • Die wiederverheiratet Geschiedenen sind "lebendige Glieder der Kirche" (AL, 299). Die Kirche lehrt jedoch: "Die Ehescheidung ist ein schwerer Verstoß gegen das natürliche Sittengesetz ... Der Ehepartner, der sich wieder verheiratet hat, befindet sich dann in einem dauernden, öffentlichen Ehebruch" (KKK 2384).
  • "Niemand darf auf ewig verurteilt werden, denn das ist nicht die Logik des Evangeliums! Ich beziehe mich nicht nur auf die Geschiedenen in einer neuen Verbindung, sondern auf alle, in welcher Situation auch immer sie sich befinden" (AL, 297). Im Evangelium mahnt uns Jesus allerdings ausdrücklich und oftmals vor der realen Gefahr der ewigen Verdammnis. Die Kirche lehrt: "In Todsünde sterben, ohne diese bereut zu haben und ohne die barmherzige Liebe Gottes anzunehmen, bedeutet, durch eigenen freien Entschluss für immer von ihm getrennt zu bleiben. Diesen Zustand der endgültigen Selbstausschließung aus der Gemeinschaft mit Gott und den Seligen nennt man "Hölle" (KKK 1033) und "wenn die Todsünde nicht durch Reue und göttliche Vergebung wieder gutgemacht wird, verursacht sie den Ausschluss aus dem Reiche Christi und den ewigen Tod in der Hölle" (KKK 1861).
  • "Aufgrund der Bedingtheiten oder mildernder Faktoren ist es möglich, dass man mitten in einer objektiven Situation der Sünde - die nicht subjektiv schuldhaft ist oder es zumindest nicht völlig ist - in der Gnade Gottes leben kann, dass man lieben kann und dass man auch im Leben der Gnade und der Liebe wachsen kann, wenn man dazu die Hilfe der Kirche bekommt." (AL, 305) - Die Kirche lehrt jedoch: "Die negativen Gebote des Naturgesetzes sind allgemein gültig: Sie verpflichten alle und jeden Einzelnen allezeit und unter allen Umständen. Es handelt sich in der Tat um Verbote, die eine bestimmte Handlung immer und für immer (semper et pro semper) verbieten, ohne Ausnahme" (VS, Nr. 52).
  • Über die Geschiedenen, die mit neuen Kindern in einer neuen Verbindung leben und die aus ernsthaften Gründen - zum Beispiel wegen der Erziehung der Kinder - der Verpflichtung zur Trennung nicht nachkommen können, steht in der Fußnote 329 von AL: "Viele, welche die von der Kirche angebotene Möglichkeit, "wie Geschwister" zusammenzuleben, kennen und akzeptieren, betonen, dass in diesen Situationen, wenn einige Ausdrucksformen der Intimität fehlen, » nicht selten die Treue in Gefahr geraten und das Kind in Mitleidenschaft gezogen werden [kann]. « (Gaudium et spes, Nr. 51) Hier wird das Konzil leider auf eine unkorrekte Weise zitiert, weil das Konzil sich in diesem Fall allein auf die gültige christliche Ehe bezieht. Die Anwendung dieser Aussage auf die Geschiedenen kann den Eindruck erwecken, dass die gültige Ehe, wenn nicht in der Theorie, so doch in der Praxis einer Verbindung von Geschiedenen gleichgestellt wird.
  • Im Hinblick auf die Integration jener Geschiedenen, denen man nach AL, 305 keine, bzw. keine schwere subjektive Sünde anrechnen kann, wird in Fußnote 351 gesagt: "In gewissen Fällen könnte es auch die Hilfe der Sakramente sein." - Die beständige Lehre und Praxis der Kirche lässt hier keine Ausnahme zu und verlangt als Bedingung das Leben in völliger Enthaltsamkeit und das Vermeiden des Ärgernisses (vgl. Familiaris consortio, Nr. 84 und Sacramentum caritatis, Nr. 29).
  • Bezüglich des vom Göttlichen Recht im Bußsakrament verlangten Vorsatzes, in Zukunft nicht mehr zu sündigen, wird in der Fußnote 364 unvollständig und missverständlich eine lehramtliche Erklärung von Johannes Paul II. zitiert, welche besagt, dass die Furcht um die eigene Schwäche in der Zukunft" der Echtheit des Vorsatzes keinen Abbruch tut". Es wird nur den halben Satz zitiert und die folgenden wichtigen Worte ausgelassen: "sofern mit dieser Furcht der vom Gebet unterstützte Wille verbunden ist, alles Mögliche zu tun, um die Sünde zu meiden" (Schreiben an die Apostolische Pönitentiarie vom 22. März 1996).
  • "Irregulär lebende" Katholiken ("Jene, die nur zivil verheiratet, oder geschieden und wieder verheiratet sind oder einfach so zusammenleben") zu den Sakramenten zuzulassen, ohne von ihnen zu verlangen, in völliger Enthaltsamkeit zu leben, bedeutet, eine Kategorie von Scheinchristen einzuführen, die ständig in Selbsttäuschung leben. Jene kirchlichen Hirten, die so etwas tun, würden sich eines großen geistlichen Verbrechens schuldig machen, weil sie diese Seelen mutmaßlich in deren Irrtum und in deren Widerspruch zum Willen Gottes belassen und sie somit der Gefahr der ewigen Verdammnis aussetzen. Es würde eine Anmaßung bedeuten, das unzweideutige Wort Gottes zu korrigieren und sich letztlich dadurch an die Stelle Gottes zu setzen. Solch ein Verhalten wäre die unüberbietbare Höhe des Klerikalismus.
    In "irregulären Situationen" lebenden Menschen Schuldminderung bzw. Nichtschuld zuzusprechen und sie folglich in Ausnahmefällen zur Heiligen Kommunion zuzulassen, wäre Betrug, wäre ein öffentliches Anti-Zeugnis gegen die Unauflöslichkeit der Ehe und die ausnahmslose Gültigkeit des sechsten Gebotes Gottes. Das würde bedeuten, in der Kirche einen Lebensstil gutzuheißen, welcher mit den Geboten Gottes im öffentlichen Widerspruch steht. Das würde bedeuten, eine wieder aufgelebte Kategorie von "gnostisch" bzw. gemäß der lutherischen Irrlehre des "Gerechter uns Sünder zugleich" (simul iustus et peccator) lebenden Christen einzuführen.

Weiteres Problematisches

  • In Al heisst es: "Es gibt den Fall einer zweiten, im Laufe der Zeit gefestigten Verbindung, mit neuen Kindern, mit erwiesener Treue, großherziger Hingabe, christlichem Engagement, mit dem Bewusstsein der Irregularität der eigenen Situation und großer Schwierigkeit, diese zurückzudrehen, ohne im Gewissen zu spüren, dass man in neue Schuld fällt." Die Kirche aber lehrt: "Zivil wiederverheiratete Geschiedene leben in einer Situation dauernden Ehebruchs, solange ihr eheähnlicher Zustand mit Einschluss sexueller Gemeinschaft fortdauert" (KKK Nr. 2384). Wenn der Ehebruch fortdauert und dadurch eine gefestigte Bindung entsteht, wird aus dem "in-sich-Bösem" Ehebruch keine gottgefällige Verbindung. Denn "man darf nicht Böses tun, damit Gutes entsteht" (VS, Nr. 79). Das Gewissen bedeutet ein Wissen, genauer ein Mit- oder Zugleich wissen der objektiven Normen und ist keine autonome Gesetzesnorm. "Ihm ist vielmehr ein Prinzip des Gehorsams gegenüber der objektiven Norm tief eingeprägt, welche die Übereinstimmung seiner Entscheidungen mit den Geboten und Verboten begründet und bedingt (VS, Nr. 60; DoV, Nr. 43).
  • Es stellt sich die Frage, warum es eine Gradualität, wie sie in AL interpretiert wird, nur bezüglich der Ehe geben sollte! (8. Kapitel: Nr. 291-312). Hier wäre als Beispiel das 7. Gebot tangiert:
Wer im Supermarkt zwei Artikel der Kassiererin als einen Artikel präsentiert und dadurch klaut, war nach AL "nicht in der Lage, die objektiven Anforderungen des Gesetzes zu verstehen, zu schätzen oder ganz zu erfüllen." Nach dem Gesetz der Gradualität fehlt noch, die vollständigere Deklarierung aller mitgenommenen Artikel. Dieser Mensch hat noch nicht das "Geschenk Gottes, das den Weg anzeigt," vollständig angenommen. In der Unterscheidung seiner individuellen Situation, die im Forum internum zu klären ist (schlechte Vorbilder etc.), soll die Person ermuntert werden, "von Stufe zu Stufe entsprechend der fortschreitenden Hereinnahme der Gaben Gottes und der Forderungen seiner unwiderruflichen und absoluten Liebe in das gesamte persönliche und soziale Leben" voranzuschreiten.
Diese Konklusion wäre nach Wort und Sinn von Amoris laetitia. Dieses Prinzip könnte auf jedes moralische Verhalten angewandt werden und relativiert jede Ethik!

AL stelle die Lehre der Kirche auf den Kopf[10]

Professor Josef Seifert, langjähriges Mitglied der Päptstlichen Akademie für das Leben, hat das Nachsynodale Päpstliche Schreiben „Amoris laetitia“ in einem Artikel für die Nachrichtenplattform Corrispondenza Romana kritisiert. Viele barmherzig klingende Passagen würden die Lehre der Kirche auf den Kopf stellen, fasst Seifert seine Kritik zusammen. Es bestehe die Gefahr einer „Lawine von Konsequenzen, die für die Kirche und die Seelen der Menschen schädlich sein werden“.
A) In seinem Artikel stellt er Passagen des Evangeliums den entsprechenden Absätzen von „Amoris laetitia“ gegenüber. Wenn AL etwa das Gleichnis von der Ehebrecherin (Joh 8,1-11) erwähne, dann sei es für Paare in irregulären Situationen sicher tröstlich, wenn ihnen gesagt würde sie seien nicht exkommuniziert. Allerdings fehle der entscheidende letzte Satz des Gleichnisses: „Geh und sündige von jetzt an nicht mehr.“ Das Dokument verschweige das Herzstück: den Aufruf zur Konversion.
B) Im Evangelium warne Jesus fünfzehn Mal vor der ewigen Verdammnis als Folge der schweren Sünde. In „Amoris laetitia“ suche man diese Warnung vergeblich.
C) Das Dokument enthalte keinen Hinweis auf die Möglichkeit ein Sakrileg zu begehen, wenn man die Kommunion unwürdig empfange. Statt dessen sei darin zu lesen, dass sogar Ehebrecher und andere Personen in irregulären Verhältnissen unter bestimmten, individuell zu beurteilenden Umständen die Kommunion empfangen könnten ohne vorher ihr Leben ändern und ihre Sünden beichten zu müssen.
D) AL interpretiere die eindeutigen Gebote Christi als Ausdruck eines Ideals, das nur Wenige erreichen könnten. Er stelle sie als Vorschläge für diejenigen dar, die nach Vollkommenheit streben und nicht als Gebote die für alle gültig seien.

Das Chaos mit einem Federstrich zum Prinzip erhoben[11]

Der deutsche Philosoph Robert Spaemann kritisiert in einem Interview mit CNA das päpstliche Schreiben "amoris laetitia". Spaemann sieht vor allem im Artikel 305 mit der Anm. 351 von „amoris laetitia“ ein Problem und erklärt, dass sich der Bruch mit der Lehrtradition der Kirche „zweifellos für jeden denkenden Menschen, der die entsprechenden Texte kennt“ ergebe. Die Kirche habe unbeschadet der menschlichen und moralischen Beurteilung des Einzelfalls, „keine Vollmacht, ohne vorherige Umkehr, ungeordnete sexuelle Beziehungen durch die Spendung von Sakramenten positiv zu sanktionieren und damit der Barmherzigkeit Gottes vorzugreifen“. Dies habe Johannes Paul II. in seinem Lehrschreiben „familiaris consortio“ (Art. 84) so festgelegt. Wie beim Frauenpriestertum sei diese Tür verschlossen. Die Vorstellung von Kardinal Kasper, „familiaris consortio“ durch eine Änderung in der Praxis der Sakramentenspendung „weiterzuentwickeln“ sei in Wirklichkeit „ein Bruch mit ihrer wesentlichen anthropologischen und theologischen Lehre über die menschliche Ehe und Sexualität“, nach der „die menschliche Sexualität … (ein) ´Realsymbol für die Hingabe der ganzen Person` und zwar `ohne jede zeitliche oder sonstige Begrenzung`“ sei.
Von einer persönlichen Verurteilung der Betroffenen könne keine Rede sein. Um allerdings „sexuelle Verhältnisse …, die objektiv der christlichen Lebensordnung widersprechen“ positiv zu beurteilen, müsste der Papst klären, „nach welcher Zeit und unter welchen Umständen sich eine objektiv sündhafte, in eine gottgefällige Verhaltensweise verwandelt“. Als Hauptursache für den von ihm wahrgenommenen Bruch mit der bisherigen Lehre sieht der Philosoph eine, bis zu den Jesuiten im 17. Jahrhundert zurückgehende „Strömung der Moraltheologie, die eine reine Situationsethik vertritt“. Diese sei von „Johannes Paul II … in seiner Enzyklika ´Veritatis splendor` verurteilt“ worden. „Auch mit diesem Lehrschreiben bricht `amoris laetitia´“ so Spaemann. Dabei sei Johannes Paul II. der „authentischer Interpret“ der göttlichen Barmherzigkeit, die eines der Hauptthemen seines Pontifikats gewesen sei.
Man dürfe „nicht vergessen, dass es Johannes Paul II. war, der ihr seine zweite Enzyklika widmete, in Krakau das Tagebuch der Schwester Faustyna entdeckte und sie später heiligsprach“. Spaemann moniert in diesem Zusammenhang auch eine falsche Interpretation von Thomas von Aquin, dessen Zitate in „amoris laetitia“ die Situationsethik zu stützen scheinen. Dabei würde „übersehen, dass Thomas objektiv sündhafte Handlungen kennt, für die es keine situativen Ausnahmen gibt. Zu ihnen gehören auch alle sexuell ungeordneten Verhaltensweisen“. Der Papst habe das „Chaos … mit einem Federstrich zum Prinzip erhoben“. Er „hätte wissen müssen, dass er mit einem solchen Schritt die Kirche spaltet und in Richtung eines Schismas führt“ so Spaemann.
Es sei jetzt schon eine „Verunsicherung und Verwirrung von den Bischofskonferenzen bis zum kleinen Pfarrer im Urwald“ abzusehen. „Nach den entsprechenden Textstellen von `amoris laetitia´ … (könnten) bei … nicht weiter definierten `mildernden Umständen´ nicht nur die Wiederverheiratet Geschiedenen, sondern alle, die in irgendeiner `irregulären Situation´ leben, ohne das Bemühen ihre sexuellen Verhaltensweisen hinter sich zu lassen, d.h. ohne Beichte und Umkehr, zur Beichte andrer Sünden und zur Kommunion zugelassen werden“. Bischöfe und Priester, die sich an die bisher geltende Sakramentenordnung hielten, könnten gar nicht erst ernannt oder unter Druck gesetzt werden. Durch mangelnde Eindeutigkeit im Bereich Glaube und Moral sei mit einem „Säkularisierungsschub und Rückgang der Priesterzahlen in weiten Teilen der Welt“ zu rechnen. Kardinälen, Bischöfen und Priestern empfiehlt Spaemann in ihrem „Zuständigkeitsbereich die katholische Sakramentenordnung aufrecht zu erhalten und sich öffentlich zu ihr zu bekennen“. „Falls der Papst nicht dazu bereit … (sei) Korrekturen vorzunehmen, … (bleibe) es einem späteren Pontifikat vorbehalten, die Dinge offiziell wieder ins Lot zu bringen“.

Platz für Verwirrungen

Papst Franziskus eröffnet die Diözesansynode des Bistums Rom am 17. Juni 2016 und gibt Bilder für eine Familienpastoral nach Amoris Laetitia an die Hand. Darunter sagte er:

Das Evangelium beschäftige sich nicht mit Idealen, sondern gehe dort hin, wo die Menschen seien. Dies bedeute nicht, dass man in der Lehre nicht klar sein müsse, sondern es bedeute, Urteile zu vermeiden, die die Komplexität des Lebens nicht umfassen. „Ich verstehe diejenigen, die eine starre Pastoral bevorzugen, die keinen Platz für Verwirrungen gibt. Aber ich glaube fest daran, dass Jesus eine achtsame Kirche für das Gute wollte.“[12][13]

siehe: Annus internationalis familiae, Situationsethik

Weblinks

Anmerkungen

  1. vgl. Aldo di Cillo Pagotto/Robert Francis Vasa/Athanasius Schneider: „Opzione preferenziale per la Famiglia. Cento domande e cento risposte intorno al Sinodo” (Vorrangige Option für die Familie. 100 Fragen und 100 Antworten zur Synode - dt.: Download)
  2. Erzbischof Bruno Fortes Enthüllung über die Hintergründe von „Amoris Laetitia“ Katholisches.info am 9. Mai 2016
  3. Papst: «Amoris laetitia» steht auf dem Boden kirchlicher Lehre Kath.net am 17. Juni 2016
  4. Kardinal Burke: Amoris laetitia muss kritisch gelesen werden Kath.net 23. Mai 2016
  5. Kardinal Caffarra: ‚Amoris laetitia’ ist objektiv unklar Kath.net am 1. Juni 2016; Kardinal Caffarra widerspricht Kardinal Schönborn Kath.net am 13. Juli 2016
  6. Bei dem Schönborn-Interview in der italienischen Tageszeitung «Corriere della Sera» am 7. Juli 2016, handelt es sich um eine Vorabveröffentlichung eines Gesprächs, das in der aktuellen Ausgabe der italienischen Jesuiten-Zeitchrift «Civilta Cattolica» erscheint.
  7. Kardinal Schönborn: «Amoris laetitia» ist verbindlich Kath.net 7. Juli 2016
  8. Erst eine Freude in der Wahrheit ermöglicht eine Freude in der Liebe Weihbischof Athanasius Schneider erklärt AL, Interview von Sven Conrad im Informationsblatt der FSSP, Juni 2016, S. 6.
  9. Erst eine Freude in der Wahrheit ermöglicht eine Freude in der Liebe Weihbischof Athanasius Schneider erklärt AL, Interview von Sven Conrad im Informationsblatt der FSSP, Juni 2016, S. 7-9.
  10. Philosoph Josef Seifert kritisiert ‚Amoris Laetitia’ Kath.net am 15. Juni 2016; Eine umfassende kritische philosophisch-theologische Studie zu Amoris laetitia stellt der folgende Artikel dar: Seifert, Josef. (2016). Die Freude der Liebe: Freuden, Betrübnisse und Hoffnungen. AEMAET, 5(2), 2-84.
  11. Philosoph Robert Spaemann: 'Amoris laetitia' bricht mit der Lehrtradition der Kirche Kath.net am 29. April 2016
  12. Drei Bilder für eine Familienpastoral nach Amoris Laetitia gibt Papst Franziskus der Diözesansynode des Bistums Rom am 17. Juni 2016 an die Hand. Papst: Drei Bilder für eine Pastoral nach Amoris Laetitia Radio Vatikan am 17. Juni 2016
  13. Im Embolismus (nach dem Vater unser) in der Heiligen Messe betet der Priester: "Erlöse uns, Herr, allmächtiger Vater, von allem Bösen und gib Frieden in unseren Tagen. Komm uns zu Hilfe mit deinem Erbarmen und bewahre uns vor Verwirrung und Sünde, damit wir voll Zuversicht das Kommen unseres Erlösers Jesus Christus erwarten."