Dialog im Dienst der Kirche und Völker
Vor 20 Jahren errichtete Paul VI. das Sekretariat für die Nichtchristen
(Quelle: Der Apostolische Stuhl 1984, S. 1851-1855)Am 17. Mai 1964, Pfingstsonntag, errichtete Paul VI. im ersten Jahr seines Pontifikats und ganz in der Atmosphäre des Zweiten Vatikanischen Konzils offiziell das Sekretariat für die Nichtchristen. Kurz danach, am 6. August desselben Jahres, veröffentlichte der Montini-Papst seine erste Enzyklika Ecclesiam suam, die als die Magna Charta des Dialogs angesehen wird. Und 1967 umriß derselbe Papst in der Apostolischen Konstitution Regimini ecclesiae die Aufgaben des neuen vatikanischen Dikasteriums: "Suche nach Methode und Wegen zur Eröffnung eines geeigneten Dialogs mit den Nichtchristen. Es bemüht sich also darum, daß die Nichtchristen von den Christen richtig erkannt und mit Recht geschätzt werden und die Nichtchristen ihrerseits die christliche Lehre und christliches Leben entsprechend erkennen und schätzen können."
Die Errichtung dieses Sekretariats steht im Horizont der neuen theologischen Sicht und der neuen missionarischen Verpflichtungen, die die Kirche im Konzil auf sich nahm. Sie ist auch Teil einer praktischen Reform der Zentralorgane des Vatikans, die auch zur Errichtung der Sekretariate für die Einheit der Christen und für die Nichtglaubenden führte.
Die Erfahrung dieser 20 Jahre zeigt die Zweckmäßigkeit einer solchen Einrichtung für das Leben der Kirche und die Beziehungen zwischen den Religionen und den Völkern. Gerade die letzte Asienreise Johannes Pauls II. vom 2. bis 12. Mai ist eine Bestätigung des Weges, der in gegenseitiger Achtung und unter Förderung positiver Beziehungen zurückgelegt wurde.
Das Sekretariat hat seine Arbeit, entsprechend den satzungsgemäßen Richtlinien getan, entsprechend den dringenden Erfordernissen und entsprechend der Persönlichkeit der verschiedenen Verantwortlichen. Auf diese Weise lassen sich, nach den aufeinanderfolgenden Präsidenten, drei Abschnitte unterscheiden. Kardinal Marella (1964-1973) hat das Kennenlernen der Religionen gefördert; Kardinal Pignedoli (1973-1980) hat für Begegnungen zwischen Katholiken und Anhängern anderer Religionen gesorgt; und Erzbischof Jadot (1980-1984) hat besonders die Zusammenarbeit mit den Ostkirchen betont. Es handelt sich um klare Akzentsetzungen, weil das Sekretariat von Anfang an versuchte, die gesteckten Ziele zu verwirklichen.
Die Erfahrung zeigte die Vielfalt der Formen, die der Dialog annehmen konnte. Anfangs erschien der Dialog wie ein Gespräch zwischen Experten, die bestrebt waren, die jeweilige religiöse Mentalität kennenzulernen oder bekannt zu machen, um bessere gegenseitige Beziehungen herauszustellen. Nach und nach entwickelte sich neben dem Dialog von Experten und offiziellen Vertretern der Dialog des Zusammenlebens im Alltag, der sozialen Zusammenarbeit, der Gemeinsamkeit religiöser Erfahrungen. Die christlichen Gemeinschaften sind sich immer mehr der Notwendigkeit und Bedingungen des Dialogs selbst bewußt geworden. Die neuen Beziehungen zu den Anhängern anderer Religionen haben den Christen geholfen, sich in ihre eigene Kultur und Gesellschaft zu integrieren.
Das Sekretariat trachtete von Anfang an danach, die verschiedenen großen Religionen durch eine Reihe von Publikationen bekannt zu machen, die Anleitungen zum Kennenlernen und für den Dialog darstellen. Es hat auch eine Darstellung des Christentums veröffentlicht. Insbesondere durch das zweisprachige "Bulletin" fördert es die pastoral-theologische Reflexion über den Dialog und verwandte Probleme und informiert über verschiedene Initiativen.
Das Sekretariat hat den Dialog bei den Ortskirchen dadurch gefördert, dass es bestehende Initiativen ermutigte und neue vorantrieb und die entsprechende Gesinnung und Haltung schuf. Das geschah durch die oben genannten Publikationen, durch direkten Briefkontakt mit Nuntien, Bischöfen, Fachzentren und Einzelpersonen sowie durch die Teilnahme an Seminaren oder Tagungen, die von den Bischofskonferenzen veranstaltet wurden, durch Begegnungen mit Gruppen von Bischöfen, Priestern und Laien, die das Sekretariat besuchen.
Von besonderer Bedeutung sind die Vollversammlungen der Mitglieder-Kardinäle und Bischöfe -, von denen eine 1979 in Rom abgehalten wurde, um die Situation zu beurteilen, und eine zweite 1984 in Grottaferrata, um ein Dokument über die Dialogbeziehung und die Mission zu erwägen und abzufassen. Tagungen der Konsultoren hat es in viel größerer Zahl und ganz verschiedener Art gegeben. Einige fanden als Generaltagungen unter Beteiligung sämtlicher Konsultoren statt (in Rom 1967, 1968, 1972, 1975; in Paris 1971), andere waren begrenzter und galten der Behandlung eines einzelnen Aspekts, wie z. B. der Überarbeitung der Anleitungen, und wieder andere schließlich führen mehr oder weniger regelmäßig die in Rom ansässigen Konsultoren zu einem Gedankenaustausch über bestimmte Punkte zusammen.
Das Sekretariat hat an der Organisation einiger interreligiöser Begegnungen für einen Dialog thematischer Art teilgenommen.
Zahlreich sind die Besuche, die die Präsidenten und die Sekretäre religiösen Persönlichkeiten in den betreffenden Ländern und bedeutenden Zentren abgestattet haben. Oft handelte es sich um reine Höflichkeitsbesuche, mitunter aber waren sie von einem Meinungsaustausch über Spezialthemen begleitet.
Das Sekretariat hat vor allem offizielle Oberhäupter und Delegationen empfangen und für ihre Unterbringung Sorge getragen. Man denke an die verschiedenen Besuche des Dalai Lama aus Tibet, der sich im Exil befindet, in den Jahren 1973, 1980 und 1982 und anderer tibetanischer Persönlichkeiten; an die Besuche des Patriarchen von Thailand, 1972, und Laos, 1973, an die Besuche des Gründers und Präsidenten von Rissho Kosei Kai Nikkyo Niwando nicht nur 1974 und 1979, sondern bereits 1965, während der sechsten Sitzungsperiode des Konzils, zu der er als Beobachter eingeladen worden war, und an die Besuche vieler anderer Führer verschiedener Religionen. Solche Besuche, die auch von einer Papstaudienz begleitet sind, haben im allgemeinen formellen Charakter, sie finden jedoch großen Widerhall und beeindrucken die jeweiligen Gemeinschaften.
Sehr oft werden Gruppen empfangen, mit denen es leicht ist, einen ernsthaften und sehr verschiedenartigen Dialog in Gang zu bringen.
Die Begegnungen mit den Einzelpersonen gestalten sich je nach den Interessen: Mit den Gelehrten kommen Fragen der Methode oder des Inhalts zur Sprache, mit den Meditationsmeistern werden die diesbezüglichen Erfahrungen ausgetauscht, die einfachen Besucher informiert man und trachtet, den Kontakt mit ihnen zu vertiefen. Die Spontaneität nimmt breiten Raum ein, was ein Klima des Vertrauens und der Freundschaft schafft.
Mitunter schafft das Sekretariat mit gemischten Gruppen zusammen, das heißt Gruppen, die aus Mitgliedern verschiedener Religionen oder aus Buddhisten und Christen gebildet werden. Sie sind äußerst verschiedenartig; dazu gehören z. B. jene Gruppe junger aus Laos geflüchteter Christen und Buddhisten im August 1983; die von einem buddhistischen Patriarchen und einem katholischen Bischof angeführte laotische Delegation im Juni 1973, die von Ordensleuten und Laien begleitet wurde; die Delegation der Khmer, bestehend aus buddhistischen Mönchen und Laien, protestantischen Pastoren und katholischen Ordensleuten, im Dezember 1983. Diese gemischten Delegationen erleichtern den Dialog an Ort und Stelle und verleihen ihm mehr Authentizität.
ANHANG
Den Gesichtskreis der Mission erweitert
Ein wichtiger Aspekt des Sekretariats betrifft die Beziehungen zu den anderen Dikasterien der Römischen Kurie, was Haltungen und Entscheidungen erleichtert, die dem vom Zweiten Vatikanum gewünschten interreligiösen Dialog Rechnung tragen sollen. Die Formen der Zusammenarbeit sind äußerst vielfältig und reichen von der einfachen Information über das Studium eines Problems bis zur Begegnung von Personen und Gruppen.
In diesen Jahren wurde ein gutes Einvernehmen mit der entsprechenden Sektion des Weltrates der Kirchen in Genf erzielt. An den wichtigsten Versammlungen nehmen stets die wechselseitigen Vertreter teil; es gibt einen regelmäßigen Informationsaustausch, und die Beamten der beiden Organe treffen sich jährlich, abwechselnd in Rom und in Genf. Der Dialog zwischen den Religionen in seinen vielfältigen Formen wird zu einem Weg, um im Ökumenismus die Einheit zwischen den Kirchen weiterzubringen. In manchen Ländern fehlt es nicht an diesbezüglichen Erfahrungen.
Die Auffassung und die Erfahrung des Dialogs haben den Gesichtskreis der Mission der Kirche erweitert. Sie hat nun nicht mehr bloß innerkirchliche Zielsetzungen, also in Funktion der Bekehrung zur Kirche und der Errichtung kirchlicher Gemeinden in allen Kulturkreisen. Die Mission hat auch außerkirchliche Ziele, nämlich in Funktion des Gottesreiches als eschatologische Wirklichkeit, nach der alle Menschen streben, und als umfassendste Wirklichkeit der Kirche selber. Die Kirche wird sich so der Erweiterung ihrer Verpflichtungen in der Welt bewußt, die ihrer besonderen Natur entspricht, die der Liebe entspringt und dem Heil zugewandt ist.
Gleichgewicht und Integrierung der verschiedenen Komponenten und Aktivitäten der Weltrnission sind notwendig. Aber sehr oft begünstigen die objektiven Situationen bestimmte Einsatzformen oder machen diese überhaupt möglich. Für die Kirche ist von Bedeutung, dass sie in der immer vollkommeneren Treue zu Christus lebt, der durch den Geist der Hauptakteur der Mission ist. Die Qualität des Seins mehr als die Zweckdienlichkeit des HandeIns macht die Kirche zum geeigneten Werkzeug und zur treuen Mitarbeiterin für die Mission.
Die vatikanischen Dikasterien sind zu immer größerer Zusammenarbeit untereinander, zu größerer Kreativität und zu einer aufmerksamen und hilfsbereiten Gemeinschaft mit den Ortskirchen aufgerufen, um den missionarischen Bedürfnissen der heutigen Welt zu entsprechen.
Was das Sekretariat für die Nichtchristen betrifft, so hat sich seine Errichtung als von der Vorsehung bestimmt und notwendig nicht nur für ein modernes Bild der Kirche, sondern auch für ihren Sendungsauftrag in der Welt bewahrheitet. Es wird auch weiterhin seinen vielgestaltigen Beitrag leisten müssen auf der von einer zwanzigjährigen Erfahrung bereits bestätigten Linie wie auch in der Förderung der Kenntnis der Religionen und des interreligiösen Dialogs, der Anregung und Koordinierung der Beziehungen mit den anderen Glaubenden, der Harmonisierung zwischen Dialog und Mission.
Als notwendig erweisen sich auch neue Wege und Initiativen, z. B. im Hinblick auf die Vertiefung der Theologie des Dialogs und der Religionen in ihrer Gesamtheit und in ihrer Besonderheit; die geeignete Darstellung des Christentums für die Gläubigen anderer Traditionen; die Beachtung neuer oder auch traditioneller Religionen, wie der afro-amerikanischen oder der para-orientalischen; die Ausbildung zu neuen Haltungen und Erfordernissen; der Prozeß der Inkulturation; die Integrierung positiver Beziehungen zwischen Religionen und den Forderungen der Menschenrechte. Natürlich kann ein nach Personal und Mitteln begrenzter Organismus nicht von der Verwirklichung so vieler Projekte träumen, doch er kann dazu beitragen, indem er immer mehr zu einem Zentrum der Belebung und Förderung wird.
Sekretär des Sekretariats für die Nichtchristen